Außergewöhnliche Belastungen
Inhalt
1 Einleitung
2 Allgemeine außergewöhnliche Belastungen
2.1 Begriffsdefinition
2.2 Zumutbare Belastung
2.3 Krankheitskosten
2.4 Pflegekosten
2.5 Scheidungskosten
2.6 Zivilprozesskosten
2.7 Sanierungskosten
2.8 Sonstige Kosten
3 Außergewöhnliche Belastungen in besonderen
Fällen
3.1 Unterhaltskosten
3.2 Sonderbedarf für auswärtig untergebrachtes
Kind
4 Behinderten-Pauschbetrag
1 Einleitung-0
Private Kosten dürfen im Regelfall nicht in die Einkommensteuererklärung
eingehen, da sie keinen Bezug zu einer Einkunftsart aufweisen wie beispielsweise Werbungskosten eines Arbeitnehmers. Mit den Regelungen zu außergewöhnlichen Belastungen macht das deutsche Einkommensteuergesetz (EStG) allerdings eine
Ausnahme. Danach dürfen auch bestimmte private Kosten, die zwangsläufig entstehen und außergewöhnlich sind, in der Einkommensteuererklärung abgerechnet werden (z.B. Krankheitskosten, Pflegekosten oder Beerdigungskosten).
Dieses Merkblatt erklärt Ihnen, welche Kosten Sie als außergewöhnliche Belastungen (allgemeiner und besonderer Art) abziehen können.
2 Allgemeine außergewöhnliche Belastungen
2.1 Begriffsdefinition
Wer im Leben einmal eine besonders schwere Last tragen muss, wird vom Fiskus steuerlich begünstigt. Er darf sein zu versteuerndes Einkommen um einen Teil der Kosten mindern. Aus § 33 Abs. 1 EStG geht hervor, dass außergewöhnliche Belastungen solche Aufwendungen sind, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen und die außergewöhnlich sind. Klassischerweise fallen Krankheitskosten hierunter. Dabei ist Folgendes zu beachten.
Außergewöhnlich sind nur solche Kosten, die größer sind, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehen. Positiv formuliert: Die Kosten dürfen nur einer kleinen Minderheit erwachsen. Sofern sie größere Personengruppen treffen – wie beispielsweise Kosten der Eheschließung –, sind sie als übliche Kosten einzustufen, die durch den Grundfreibetrag abgedeckt sind und steuerlich somit
nicht abgezogen werden dürfen.
Zwangsläufig sind Kosten, denen sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Er muss also unausweichlich mit diesen Kosten konfrontiert sein. Wer sich bewusst in eine bestimmte Situation begibt, etwa indem er einen für ihn nachteiligen Kaufvertrag abschließt, und später die Konsequenzen
daraus tragen muss, kann seine Kosten deshalb nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehen.
Hinweis
Bei Krankheitskosten ist das Erfordernis der Zwangsläufigkeit unproblematisch, denn diese gelten selbst dann noch als zwangsläufig entstanden, wenn der Steuerpflichtige
seine Krankheit selbst verschuldet hat (z.B. durch Rauchen, Alkoholkonsum oder Extremsport).
Eine weitere Voraussetzung für den Abzug von außergewöhnlichen
Belastungen ist, dass die Kosten notwendig und angemessen sind.
2.2 Zumutbare Belastung
Erkennt das Finanzamt allgemeine außergewöhnliche Belastungen an, wirkt sich leider nicht der komplette Betrag steuermindernd aus. Denn als Steuerpflichtiger müssen Sie einen Eigenanteil, die sogenannte zumutbare Belastung, selbst tragen. Verheiratete Steuerpflichtige und Steuerpflichtige mit Kindern werden dabei günstiger gestellt als Unverheiratete und Kinderlose. Die zumutbare Belastung wird nach drei im Gesetz vorgegebenen Grenzen berechnet und nach einem festgelegten Prozentsatz abhängig von Familienstand und Kinderzahl bemessen. Welches Raster sich daraus ergibt, zeigt folgende Tabelle.
Gesamtbetrag der Einkünfte
bis
15.340 €
über
15.340 €
bis 51.130 €
über
51.130 €
bei kinderlosen einzelveranlagten Steuerpflichtigen
5 % 6 % 7 %
bei kinderlosen zusammen veranlagten Steuerpflichtigen
4 % 5 % 6 %
bei Steuerpflichtigen mit ein bis zwei Kindern
2 % 3 % 4 %
bei Steuerpflichtigen mit drei oder mehr Kindern
1 % 1 % 2 %
des Gesamtbetrags der Einkünfte
Hinweis
Es werden bei der Bestimmung des Prozentsatzes nur Kinder berücksichtigt, für die der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Kinderfreibeträge oder Kindergeld hat. Kinder,
die sich in einer Ausbildung bzw. einem Studium befinden, werden regelmäßig noch bis zum 25. Geburtstag steuerlich anerkannt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19.01.2017 entgegen der bis dahin gängigen Verwaltungspraxis entschieden, dass die Ermittlung der zumutbaren Belastung in drei Stufen abhängig vom Gesamtbetrag der Einkünfte zu ermitteln ist. Zuvor wurde
die zumutbare Belastung bei Überschreiten einer dieser Stufen anhand des Prozentsatzes der höheren Stufe berechnet. Die Neuregelung führt insgesamt zu einer niedrigeren abzuziehenden zumutbaren Belastung von den geltend gemachten außergewöhnlichen
Belastungen und somit im Ergebnis zu einer niedrigeren Einkommensteuer.
Beispiel 1
Wie sich die zumutbare Belastung nach der neuen stufenweisen Berechnung bei Einkünften von 51.835 € (wie im oben angesprochenen Streitfall vor dem BFH) ergibt, zeigt
die Berechnung auf der nächsten Seite.
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Erste Stufe: 2 % × 15.340 € 306,80 €
Zweite Stufe: 3 % × (51.130 € – 15.340 €) 1.073,70 €
Dritte Stufe: 4 % × (51.835 € – 51.130 €) 28,20 €
insgesamt 1.408,70 €
Bis zum Urteil des BFH berechnete die Verwaltung die zumutbare Belastung mit demjenigen Prozentsatz, in dessen Grenzen der Gesamtbetrag der Einkünfte liegt. Bei Einkünften
von 51.835 € – also von über 51.130 € – ergab sich so folgende zumutbare Belastung:
4 % × 51.835 € 2.073,40 €
Dieses Beispiel verdeutlicht sehr anschaulich, wie stark sich die Rechtsprechungsänderung des BFH auf die Höhe der zumutbaren Belastung auswirkt. So sind hier 664,70 €
weniger als bei der bisherigen Verwaltungspraxis zu kürzen. Dies führt direkt zu einer Anerkennung höherer Kosten und somit zu einer niedrigeren Steuerlast.
Beispiel 2
Die ledige kinderlose Frau Meier macht Krankheitskosten in Höhe von 5.000 € in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Ihre Einkünfte betragen insgesamt 58.000 €. Ihre zumutbare Belastung berechnet sich wie folgt:
Erste Stufe: 5 % × 15.340 € 767,00 €
Zweite Stufe: 6 % × (51.130 € – 15.340 €) 2.147,40 €
Dritte Stufe: 7 % × (58.000 € – 51.130 €) 480,90 €
insgesamt 3.395,30 €
Das Finanzamt sollte die Krankheitskosten um eine zumutbare Belastung von 3.395,30 € auf 1.604,70 € mindern. Bei einem anzunehmenden Grenzsteuersatz von 33 % kann
Frau Meier ihre Einkommensteuerlast durch die Krankheitskosten damit um 529,55 € reduzieren.
Hinweis
Einen Online-Rechner zur Berechnung der zumutbaren Belastungen unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 19.01.2017 finden Sie online beim Bayerischen Landesamt
für Steuern (http://www.finanzamt.bayern.de/LfSt) unter Startseite > Steuerinfos > Steuerberechnung > Zumutbare Belastung.
Kapitalerträge, die der abgeltenden Besteuerung unterliegen, werden nicht in den Gesamtbetrag der Einkünfte eingerechnet, so dass sie nicht die zumutbare Belastung erhöhen. Wenn Sie hohe abgeltend besteuerte Kapitalerträge erzielen, können Sie also einen höheren Kostenteil abziehen.
2.3 Krankheitskosten
Als Krankheitskosten abziehen können Sie insbesondere Ausgaben für
Arzt und Heilpraktiker,
Krankenhausaufenthalte,
Arzneimittel,
Brillen, Hörgeräte, Zahnprothesen, Zahnimplantate sowie
unumgängliche Fahrtkosten.
Hinweis
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BFH können Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung dann nicht abgezogen werden, wenn die Behandlung nach inländischen
Maßstäben nicht mit dem Embryonenschutzgesetz oder anderen Gesetzen vereinbar ist.
Voraussetzung für den Abzug ist jedoch stets, dass Sie als Steuerpflichtiger durch die Kosten tatsächlich und endgültig belastet sind. Deshalb müssen Erstattungen
der Krankenkasse oder der Beihilfe gegengerechnet werden. Entsprechend können Krankheitskosten, die Sie als Versicherter selbst tragen, um dadurch eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Gleiches gilt für Schadenersatzleistungen, die Sie als Geschädigter vom Unfallgegner erhalten.
Hinweis
Erstattungen der Krankenkasse und der Beihilfe müssen übrigens auch dann von den abzugsfähigen Krankheitskosten abgezogen werden, wenn sie erst im Folgejahr geleistet
werden.
Beispiel
Herr Müller unterzieht sich einer umfangreichen Zahnbehandlung, für die im Veranlagungsjahr Kosten in Höhe von 8.000 € entstehen. Seine Krankenkasse erstattet ihm im Folgejahr 6.000 €. Herr Müller kann dann nur 2.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung
werden hingegen nicht auf die Krankheitskosten angerechnet, da sie keine enge Verbindung zum entstandenen Aufwand aufweisen. Anders sieht es wiederum bei Leistungen aus einer Krankenhaustagegeldversicherung aus. Diese müssen von den entstandenen Krankenhauskosten abgezogen werden.
2.3.1 Wie Krankheitskosten nachzuweisen sind Ein in der Praxis besonders „heißes Eisen“ ist der Nachweis von Krankheitskosten. Denn es genügt nicht, dass Ihnen zwangsläufige und außergewöhnliche Belastungen entstanden sind – in vielen Fällen müssen
Sie zudem besondere Nachweise erbringen, damit die Kosten steuerlich anerkannt werden. Als Faustregel gilt dabei: Je lockerer von außen betrachtet der Zusammenhang
zwischen den Kosten und der Krankheit ist, desto strenger sind die Nachweispflichten, die das Finanzamt fordert.
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Nach aktueller Rechtslage stellen sich die Nachweispflichten wie folgt dar.
1. Übliche medizinische Behandlungen Kosten für übliche medizinische Behandlungen (z.B.
Kariesbehandlung) müssen dem Finanzamt nicht besonders nachgewiesen werden.
2. Kosten für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel Wer Kosten für Arznei- und Heilmittel abziehen will, muss dem Finanzamt die entsprechende Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegen. Eine solche Verordnung ist auch erforderlich, wenn etwa Hörgeräte, Brillen oder Prothesen (sog. Hilfsmittel im engeren Sinne) angeschafft werden.
Hinweis
Der BFH hat entschieden, dass die Zwangsläufigkeit der Kosten für eine sogenannte heileurythmische Behandlung lediglich durch die Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachgewiesen werden muss, da die Heileurythmie ein Hilfsmittel im engeren Sinne ist. Einen qualifizierten Nachweis (siehe unter 4.) hielt das Gericht für nicht erforderlich.
3. Kosten für Besuchsfahrten
Auch Kosten für Besuchsfahrten zu einem für längere Zeit im Krankenhaus liegenden Kind oder Ehegatten können als außergewöhnliche Belastungen angesetzt werden, und zwar mit 0,30 € pro Fahrtkilometer. Für die steuerliche Anerkennung ist es allerdings erforderlich, dass Sie dem Finanzamt eine Bescheinigung des behandelnden Krankenhausarztes
vorlegen, wonach die Besuche „zur Heilung oder Linderung einer Krankheit entscheidend beigetragen haben“.
Hinweis
In der Praxis sorgt dieses Nachweiserfordernis für wenig Probleme, da die behandelnden Ärzte eine solche Bescheinigung häufig ausstellen.
4. Besonderer Nachweis für Einzelfälle
Liegt der Zusammenhang zwischen einer Krankheit und bestimmten Kosten für einen Außenstehenden nicht direkt auf der Hand, müssen Sie dem Finanzamt entweder ein vorab ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorab ausgestellte ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorlegen (sog. qualifizierter Nachweis).
Hinweis
„Vorab“ bedeutet dabei, dass das Gutachten bzw. die Bescheinigung vor Beginn der entsprechenden Behandlung bzw. vor Anschaffung des medizinischen Hilfsmittels
eingeholt werden muss. Wer erst später einen entsprechenden Nachweis einholt, kann seine Kosten nicht abziehen. Eine frühzeitige Beweisvorsorge ist daher ausdrücklich
angeraten.
Ein qualifizierter Nachweis ist in folgenden Fällen zu erbringen:
Bade- und Heilkuren
psychotherapeutische Behandlungen
medizinisch notwendige auswärtige Unterbringung eines Kinds, das an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidet
Betreuung durch eine Begleitperson
medizinische Hilfsmittel „im weiteren Sinne“ (z.B. Gesundheitsschuhe, Magnetmatratzen)
wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden (z.B. Frischzellenbehandlungen oder Sauerstofftherapien)
2.3.2 Sonderfall: Berufskrankheiten
Sie sollten stets prüfen, ob Ihre Krankheitskosten möglicherweise als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden können. Dies ist bei typischen Berufskrankheiten möglich und bei Krankheiten, die Sie sich nachweislich bei der Berufsausübung „eingefangen“ haben.
Hinweis
Ein Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug ist günstiger als ein Ansatz als außergewöhnliche Belastung, weil keine zumutbare Belastung zum Abzug kommt und
die Kosten im Wege eines Verlustvortrags bzw. -rücktrags in andere Veranlagungszeiträume übertragen werden können.
Eine Einordnung als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben ist allerdings schwer zu erreichen, da häufig kein eindeutiger Zusammenhang zur Berufsausübung nachgewiesen werden kann. So ist ein Herzinfarkt nach der Rechtsprechung des BFH beispielsweise keine typische Berufskrankheit eines Freiberuflers (auch wenn Freiberufler hier widersprechen mögen). Der BFH erklärte, dass ein Herzinfarkt nicht typischerweise einer bestimmten Berufsgruppe zugeordnet werden kann.
Als Berufskrankheit wurden jedoch anerkannt:
Gelbsucht eines Arztes
Impingement-Syndrom einer Berufsgeigerin
Stimmprobleme einer Lehrerin
Vergiftungserscheinungen eines Chemikers
Sportunfall eines Profifußballers
Staublunge eines Bergmanns
Strahlenschäden eines Röntgenarztes
2.4 Pflegekosten
Erwachsen Ihnen durch die Pflege einer Person außergewöhnliche Belastungen, können Sie entweder
die tatsächlichen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastungen ansetzen oder
Außergewöhnliche Belastungen
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einen Pflege-Pauschbetrag von 924 € im Kalenderjahr geltend machen. Den Pflege-Pauschbetrag können Sie ohne Aufzeichnungen und Belege pauschal abziehen. Er wird vom Finanzamt allerdings nur dann gewährt, wenn
Sie für die Pflege keine Einnahmen erhalten,
Sie die Pflege in Ihrer Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführen und
die zu pflegende Person nicht nur vorübergehend hilflos ist (das heißt länger als sechs Monate). Auch muss sich die Wohnung des Gepflegten bzw. des Pflegenden nicht zwingend in Deutschland befinden, damit der Pflege-Pauschbetrag zum Abzug kommt. Im Zuge einer europäischen Öffnung des Gesetzes darf sich die Wohnung nun auch in einem anderen EUMitgliedstaat oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums befinden.
Hinweis
Wird ein Pflegebedürftiger gleichzeitig oder nacheinander von mehreren Steuerpflichtigen gepflegt, muss der Pauschbetrag unter den begünstigten Pflegepersonen aufgeteilt
werden. Nach dem Gesetz ist eine gepflegte Person hilfsbedürftig, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden existentiell notwendigen Verrichtungen,
die tagtäglich anfallen – etwa An- und Ausziehen, Körperpflege oder Essen und Trinken –, dauernd fremder Hilfe bedarf.
2.5 Scheidungskosten
Scheidungskosten sind als Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen – es sei denn, der Steuerpflichtige liefe Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen zu können.
Hinweis
Genau dies hat der BFH mit einem Urteil Mitte Mai 2017 bestätigt. Unter anderem zur Klärung der diesbezüglichen Auslegung der Begriffe „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ und damit der Abzugsfähigkeit sind jedoch noch andere Verfahren vor dem BFH anhängig (Az. VI R 66/14, VI R 81/14 und VI R 19/15).
2.6 Zivilprozesskosten
Ob die Kosten für einen Zivilprozess steuerlich abzugsfähig sind, wurde bislang von Rechtsprechung und Finanzverwaltung unterschiedlich beantwortet.
Der BFH hat in einigen Urteilen in den Jahren 2015 und 2016 Stellung zur Geltendmachung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen genommen. Danach sind die Kosten eines Zivilprozesses nur noch ausnahmsweise dann abzugsfähig, wenn ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt.
Hinweis
Mit einem dieser Urteile hat der BFH entschieden, dass Zivilprozesskosten für die Feststellung bzw. Verteidigung der Höhe der Vermögensposition im Erbfall nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden
können. Bereits zuvor hatte der Gesetzgeber ab dem Jahr 2013 den maßgeblichen § 33 EStG durch das Amtshilferichtlinieumsetzungsgesetz dahingehend angepasst, dass
außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind, wenn weder die Existenzgrundlage noch lebensnotwendige Bedürfnisse in dem Prozess verteidigt wurden.
2.7 Sanierungskosten
Auch Sanierungskosten können Sie als außergewöhnliche Belastungen abziehen – allerdings wie stets nur dann, wenn sie zwangsläufig und außergewöhnlich sind. Ein Abzug der Kosten ist daher meist nur möglich, wenn konkrete Gesundheitsgefahren abgewendet
werden sollen. Nach der Rechtsprechung können folgende Sanierungsmaßnahmen anerkannt werden:
Sanierung eines geruchsbelasteten Gebäudes
Abschirmung einer Wohnung aufgrund erhöhter Mobilfunkstrahlung (Elektrosmog)
Sanierung infolge einer Asbestbelastung
Sanierung infolge von Befall mit echtem Hausschwamm (holzzerstörender Pilz)
Baumfällarbeiten auf dem eigenen Grundstück infolge einer Pollenallergie
Den Fall einer Asbestsanierung hat der BFH untersucht und die folgenden Voraussetzungen formuliert, die für einen Abzug als außergewöhnliche Belastungen erfüllt sein müssen:
Die Sanierung muss einen Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs betreffen, wie beispielsweise die eigengenutzte Wohnung.
Von diesem Gegenstand müssen konkrete Gesundheitsgefährdungen ausgehen.
Den Grundstückseigentümer darf kein Verschulden an der Belastung (mit Asbest) treffen.
Die Belastung darf im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs noch nicht erkennbar gewesen
sein.
Es dürfen keine realisierbaren Ersatzansprüche gegen Dritte bestehen (z.B. Versicherungen).
Die Sanierungsmaßnahme darf nicht der Beseitigung von üblichen Baumängeln dienen.
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Diese Grundsätze lassen sich auch auf Sanierungskosten infolge anderer Belastungen übertragen.
Hinweis
Wie bei Krankheitskosten, sollten Sie als betroffener Steuerpflichtiger auch bei Sanierungskosten immer nachweisen können, dass Sie sich diesen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnten. Daher sollten Sie vor dem Beginn einer Sanierungsmaßnahme unbedingt entsprechende Gutachten einholen und die Beeinträchtigung ausführlich dokumentieren (z.B. durch Fotos, Aussagen von
Freunden und Nachbarn etc.). Da Sanierungsmaßnahmen häufig sehr kostenintensiv
sind, kann deren Komplettabzug im Zahlungsjahr dazu führen, dass sich die Kosten zu einem großen Teil nicht auswirken, da die Sanierungskosten höher als die Einkünfte sind. Denn außergewöhnliche Belastungen können nicht durch Verlustrücktrag bzw. -vortrag
auf andere Jahre verteilt werden. Laut BFH ist eine steuergünstige Verteilung von
Umbaukosten auf mehrere Jahre grundsätzlich nicht mehr zugelassen. Eine Ausnahme kann es nur geben bei Anhaltspunkten für das Vorliegen von atypischen Besonderheiten, die ausnahmsweise eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen rechtfertigen. Eine solche kann vorliegen, wenn die Umbaukosten so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung
eines Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalls in den Hintergrund tritt.
Hinweis
Wurde Ihnen eine Verteilung hoher Umbau-/Sanierungskosten auf mehrere Jahre vom Finanzamt verwehrt, sollten Sie das Gespräch mit uns suchen. Wir können prüfen, ob in
Ihrem Fall eine Klage vor dem Finanzgericht sinnvoll ist.
2.8 Sonstige Kosten
2.8.1 Beerdigungskosten
Können die Kosten für die Beerdigung aus dem Nachlass der verstorbenen Person bestritten werden, sind sie nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Denn dann belasten die Kosten nur das übernommene Vermögen und nicht den Erben selbst als einkommensteuerpflichtige Person. Kein Abzug ist zudem möglich, wenn die Kosten durch Sterbegelder oder entsprechende Versicherungen abgedeckt sind. Anders ist der Fall gelagert, wenn die Kosten nicht aus dem Nachlass bestritten werden können, der Steuerpflichtige sie aber aus einer sittlichen Verpflichtung heraus selbst trägt. Steuerlich abziehbar sind dann die unmittelbaren Bestattungskosten (einschließlich Überführungskosten), nicht aber die Kosten für Grabpflege, Trauerkleidung und Anreise der Angehörigen zur Trauerfeier.
2.8.2 Umzugskosten
Muss ein Umzug wegen Krankheit erfolgen, können Sie die Umzugskosten als Außergewöhnliche Belastungen abziehen. So hat der BFH einen solchen Fall angenommen,
wenn eine Familie ihre Wohnung im dritten Stock aufgibt, weil ihr Kind gelähmt ist.
Hinweis
Erfolgt ein Umzug aus anderen privaten Gründen, können Sie die Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehen. Die gezahlten Lohnkosten an den Umzugsunternehmer können Sie dann allerdings als haushaltsnahe Dienstleistungen absetzen. Wenn Sie aus beruflichen Gründen umziehen, können Sie die Kosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehen.
3 Außergewöhnliche Belastungen in besonderen Fällen
Neben dem Abzug von „allgemeinen“ außergewöhnlichen Belastungen wie beispielsweise Krankheitskosten sieht das EStG auch noch einen Abzug von „besonderen“ außergewöhnlichen Belastungen vor. Diese Abzugsmöglichkeit soll Kosten berücksichtigen, die der Steuerbürger aufwendet, um das Existenzminimum einer anderen Person zu sichern. Explizit begünstigt sind
Unterhaltszahlungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen (siehe Punkt 3.1) und
der Sonderbedarf für die auswärtige Unterbringung eines volljährigen Kindes (siehe Punkt 3.2).
Hinweis
Die Regelungen zur zumutbaren Belastung sind bei diesen beiden besonderen Abzugsmöglichkeiten nicht zu beachten, das heißt, es findet hier keine Kürzung um einen Eigenanteil statt.
3.1 Unterhaltskosten
Tragen Sie Kosten für den Unterhalt oder die Berufsausbildung einer anderen Person, können Sie diese als außergewöhnliche Belastungen abziehen. Bis einschließlich
2016 galt dafür eine Grenze von 8.652 € pro Jahr (zzgl. bestimmter übernommener Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Ab 2017 liegt der Höchstbetrag bei 8.820 €.
Voraussetzung für den steuerlichen Abzug ist, dass
die unterstützte Person Ihnen oder Ihrem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigt ist (z.B. Kinder, Eltern, Großeltern),
Sie für die unterstützte Person keine Kinderfreibeträge und kein Kindergeld beanspruchen können und
die unterstützte Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt.
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Hinweis
Von einem geringen Vermögen geht die Finanzverwaltung aus, wenn die unterstützte Person nicht mehr als 15.500 € besitzt. Dabei sind die Verkehrswerte maßgeblich. Sofern
das Vermögen größer ist, fehlt es an der Zwangsläufigkeit der Unterhaltsaufwendungen, so dass sie steuerlich nicht abziehbar sind. Der Wert einer selbstgenutzten Wohnung
der unterstützten Person darf allerdings unberücksichtigt bleiben, sofern diese angemessen ist. Diese Verschonung für selbstgenutzte Hausgrundstücke ist eindeutig gesetzlich festgeschrieben durch das Amtshilferichtlinieumsetzungsgesetz. Eine selbstbewohnte Villa gehört allerdings nicht zum Schonvermögen, sondern wird mangels Angemessenheit in das Vermögen eingerechnet, so dass die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers entfällt. Eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person mindern den abziehbaren Höchstbetrag. Nach dem EStG müssen zunächst die Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person (aus dem Jahr der Unterhaltszahlung) zusammengerechnet werden, dann dürfen davon 624 € abgezogen werden (sog. anrechnungsfreier Betrag). Das Ergebnis mindert den Höchstbetrag.
Beispiel
Frau Bauer unterstützt ihren Vater im Jahr 2017 mit 10.000 €. Er verfügt selbst über Einkünfte und Bezüge von 6.000 € jährlich. Für den Abzug der Unterhaltsleistungen ist zu rechnen:
Einkünfte und Bezüge des Vaters 6.000 € anrechnungsfreier Betrag – 624 € anzurechnen sind 5.376 €
Höchstbetrag 8.820 €
steuerlich abziehbar (8.820 € – 5.376 € ) 3.444 €
Von ihren Unterhaltsleistungen kann Frau Bauer im Jahr 2017 somit nur 3.444 € als außergewöhnliche Belastungen geltend machen.
Hinweis
Steuerlich gesondert behandelt werden Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten. Diese dürfen nach dem EStG mit maximal
13.805 € pro Jahr als Sonderausgaben abgezogen werden (zuzüglich Basisbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die für die Absicherung der unterhaltsberechtigten
Person aufgewandt werden).
Angehörige im Ausland
Unterhaltszahlungen können auch dann steuerlich abgezogen werden, wenn die unterstützte Person in Deutschland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig
ist. In diesen Fällen muss der abziehbare Höchstbetrag und der anrechnungsfreie Betrag der Einkünfte aber häufig anhand der sogenannten Ländergruppeneinteilung
gekürzt werden. Demnach sind die (Höchst-)Beträge beispielsweise nur zur Hälfte anzusetzen, wenn der Unterhaltsempfänger in Bulgarien, Kasachstan, Lettland, Polen, Rumänien oder der Türkei wohnt. Eine Kürzung auf ein Viertel erfolgt beispielsweise
bei Ländern wie Afghanistan, Ägypten, Albanien, Georgien oder der Ukraine. Bei Wohnsitzstaaten wie Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich oder Italien
muss keine Kürzung vorgenommen werden.
Achtung: Bei Unterhaltszahlungen ins Ausland trifft Steuerpflichtige eine verschärfte Nachweispflicht.
Das Bundesministerium der Finanzen hat erklärt, dass er sich in besonderem Maße darum bemühen muss, seine Unterhaltszahlungen anhand von Beweismitteln nachzuweisen. Insbesondere muss er belegen, dass die transferierten Gelder von ihm stammen und tatsächlich zum Unterhaltsempfänger gelangt sind. So müssen Geldüberweisungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Post- oder Bankbelege nachgewiesen werden.
Hinweis
Damit Zahlungen anerkannt werden, müssen ausländische Bescheinigungen ins Deutsche übersetzt werden. Derartige Übersetzungen müssen von einem amtlich zugelassenen
Dolmetscher, einem Konsulat oder einer sonstigen zuständigen Auslandsdienststelle stammen. Die Kosten für die Übersetzung dürfen nicht als Unterhaltsaufwand abgerechnet
werden. Bei Barzahlungen sind Abhebungsnachweise und detaillierte Empfängerbestätigungen erforderlich. Dabei darf zwischen der Geldabhebung und der jeweiligen Übergabe ein Zeitraum von höchstens zwei Wochen liegen (ausreichender Sachzusammenhang).
Hinweis
Finanzämter erkennen Zahlungen in der Regel nicht an, wenn sie durch einen Mittelsmann überbracht wurden. Da die persönliche Überbringung von Bargeld nur unter verschärften
Nachweisvoraussetzungen anerkannt wird, empfiehlt sich stets eine Überweisung der Unterhaltsbeträge auf das ausländische Konto des Unterhaltsempfängers.
3.2 Sonderbedarf für auswärtig untergebrachtes Kind
Eltern können für ihr Kind einen Freibetrag für Sonderbedarf in der Berufsausbildung von 924 € abziehen, wenn das Kind
volljährig ist,
sich in einer Berufsausbildung befindet und
auswärtig untergebracht ist.
Weitere Voraussetzung ist, dass die Eltern für das Kind einen Anspruch auf Kinderfreibeträge oder Kindergeld haben.
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Hinweis
Bei der Einkommensteuererklärung kann der Freibetrag in der „Anlage Kind“ beantragt werden. Das Kindeseinkommen wird nicht auf den Freibetrag angerechnet. Das Kind kann also unbegrenzt hinzuverdienen – ohne steuerliche Nachteile für die Eltern.
4 Behinderten-Pauschbetrag
Behinderte Menschen können in ihrer Einkommensteuererklärung wählen, ob sie
die tatsächlichen Kosten für ihre Behinderung als allgemeine außergewöhnliche Belastungen geltend machen oder ob sie
einen Behinderten-Pauschbetrag abziehen, der sich nach dem Grad der Behinderung bemisst. Die Pauschbeträge sind wie folgt gestaffelt:
Höhe des Behinderten-Pauschbetrags
Grad der Behinderung Pauschbetrag
25 und 30 310 €
35 und 40 430 €
45 und 50 570 €
55 und 60 720 €
65 und 70 890 €
75 und 80 1.060 €
85 und 90 1.230 €
95 und 100 1.420 €
Bei Hilflosigkeit und Blindheit erhöht sich der Pauschbetrag auf 3.700 €.
Der Behinderten-Pauschbetrag kann auch von den Eltern eines behinderten Kinds, für das ein Kindergeldanspruch bzw. ein Anspruch auf Kinderfreibeträge besteht, abgezogen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Kind den Pauschbetrag nicht selbst
in Anspruch nimmt. Bei der Übertragung auf die Eltern wird der Pauschbetrag grundsätzlich zur Hälfte auf beide Elternteile aufgeteilt. Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist aber auch ein anderes Aufteilungsverhältnis möglich. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH werden durch den Ansatz des Pauschbetrags die typischen behinderungsbedingten Kosten abgegolten. Ein zusätzlicher steuerlicher Abzug solcher Aufwendungen ist also nicht möglich.
Hinweis
Der BFH hat entschieden, dass durch den Ansatz des Pauschbetrags auch Kosten für ein Wohnstift abgegolten sind, die für das Vorhalten einer Grundversorgung, einer Notrufbereitschaft und einer 24-stündigen Besetzung des Empfangs entstanden sind. Im Urteilsfall hatte eine behinderte Seniorin diese Kosten als haushaltsnahe Dienstleistungen
in ihrer Einkommensteuererklärung abgerechnet (zusätzlich zum Behinderten-Pauschbetrag). Das Gericht versagte ihr diesen Abzug und erklärte, dass die Abgeltungswirkung des Pauschbetrags unabhängig von der Frage eintritt, ob Pflegeleistungen tatsächlich in Anspruch genommen oder – wie im Urteilsfall – lediglich vorgehalten werden.
Wir stehen Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.
Rechtsstand: September 2017
Alle Informationen und Angaben in diesem MandantenMerkblatt haben wir nach bestem Wissen zusammengestellt. Sie erfolgen jedoch ohne Gewähr. Diese Information kann eine
individuelle Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.
Quelle: Deubner Verlag